Bulgarien
Atlas Inkasso Büro Sofia
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Bulgarien ist seit 1.8.1991 Vertragsstaat des UN-Übereinkommens vom 11.4.1980 über den internationalen Warenkauf (UN-Kaufrecht, CISG), das als primäres Privatrecht für den internationalen Warenkauf – vorrangig gegenüber den nationalen Gesetzen – anzuwenden ist. Folglich ist das UN-Kaufrecht auch im Falle einer Rechtswahlklausel zu Gunsten „deutschen Rechts“ oder „bulgarischen Rechts“ anzuwenden. Nationale Gesetze greifen bei grenzüberschreitenden Kaufverträgen nur dann ein, wenn das UN-Kaufrecht zu einem bestimmten Bereich keine Regelungen getroffen hat (z.B. bei Verjährungsfragen) oder die Parteien die Geltung des UN-Kaufrechts ausdrücklich vertraglich ausgeschlossen haben (Art. 6 CISG).
Auf den möglichen Schriftformvorbehalt hat das Land ebenso verzichtet wie auf andere Vorbehalte, die das UN-Kaufrecht ausdrücklich vorsieht. Demnach ist in Bulgarien unter der Geltung des UN-Kaufrecht die Schriftformfreiheit für internationale Warenkaufverträge anerkannt. Im Übrigen lässt das bulgarische Recht die freie Rechtswahl hinsichtlich grenzüberschreitender Vertragsbeziehungen im Art. 93 des IPR-Gesetzes vom 4.5.2005 ausdrücklich zu. Ähnlich wie Art. 34 EGBGB regelt Art. 45 IPR-Gesetz, dass zwingende Normen des bulgarischen Rechts vertraglich nicht abbedungen werden können.
Im Bereich der Rechtsverfolgung hat es in Bulgarien in den vergangenen Jahren mit die meisten Änderungen gegeben. Seit dem EU-Betritt zum 1.1.2007 sind einschlägige EG-Verordnungen unmittelbar anwendbar, insb. Nr. 805/2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, Nr. 44/2001 über die gerichtliche Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), Nr. 1206/2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen, Nr. 1348/2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten.
Die letztgenannte Verordnung Nr. 1348/2000 wird zum 13.11.2008 von der EG-Verordnung Nr. 1393/2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten abgelöst. Auf nationaler Ebene sind insbesondere die – zur Umsetzung von EU-Vorgaben zur Gewährleistung von transparenten und effizienten Gerichtsverfahren im Rahmen der Justizreform – erfolgten Neukodifizierungen zu beachten: – neues Gerichtsverfassungsgesetz („Zakon za sadebnata vlast“, „Law for Judicial System“) vom 7.8.2007; – neue Zivilprozessordnung („Graždanski prozessualen kodeks“, „Code of Civil Procedure“, im Folgenden: ZPO), seit 1.3.2008 in Kraft. Der Gerichtsaufbau ist in der Verfassung (Art. 119) vorgegeben und im neuen Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) vom 7.8.2007 sowie in den Prozessordnungen konkretisiert. Das Gerichtssystem umfasst folgende Gerichte:
Erstmalig verfügt Bulgarien seit 2005 über eine einheitliche IPR-Regelung. Das neue „Gesetz über das Internationale Privatrecht“ (IPRG, DV Nr. 42 vom 17.5.2005, letzte Änderung vom 20.7.2007) regelt neben der Frage des anwendbaren Rechts (Kollisionsrecht) auch die internationale Zuständigkeit der bulgarischen Gerichte, das internationale Zivilverfahrensrecht, die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile und anderer gerichtlicher Akte. Seit dem EU-Beitritt ist die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) in Bulgarien unmittelbar anzuwenden.
Danach ist eine in einem anderen EG-Mitgliedstaat ergangene und vollstreckbare Entscheidung auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers für vollstreckbar zu erklären. Eines besonderen Anerkennungsverfahrens bedarf es dagegen nicht (Art. 33 Abs. 1). Anerkennungs- und Vollstreckungsanträge sind beim Sofioter Stadtgericht zu stellen. Mit dem Antrag sind nach den Artikeln 53 bis 55 EuGVVO (i.V.m. Art. 119 Abs. 2 IPRG) folgende Urkunden vorzulegen: vom Gericht beglaubigte Ausfertigung der Entscheidung mit Rechtskraftbescheinigung, Bescheinigung nach Anhang V der Verordnung, beglaubigte Übersetzung dieser Urkunden auf Verlangen des Gerichts. ,,
In Zivilsachen sind grundsätzlich die Rayongerichte erstinstanzlich zuständig (Art. 76 GVG, Art. 103 ZPO), mit Ausnahme der Fälle, in denen die Bezirksgerichte als Eingangsinstanz bestimmt sind. Gemäß Art. 104 ZPO unterliegen der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Bezirksgerichte: – Handelsstreitigkeiten; – Streitigkeiten betr. Eigentum und andere dingliche Rechte im Wert von über 50.000 Lewa; – zivilrechtliche Fälle mit Streitwert von über 25.000 Lewa; – registerrechtliche Streitigkeiten u.a. Allgemeiner Gerichtsstand ist derjenige am Wohn- bzw. Geschäftssitz des Beklagten (Art. 105 ZPO).
Ausgenommen die ausschließlichen bulgarischen Gerichtsstände, können die Parteien in vermögensrechtlichen Angelegenheiten sowohl einen ausländischen Gerichtsstand oder alternativ zum Gerichtsweg eine schiedsgerichtliche Streitbeilegung vereinbaren. Im Zivilverfahren besteht kein Anwaltszwang. Das bulgarische Schiedsrecht ist in dem am UNCITRAL-Modellgesetz von 1985 orientierten „Gesetz über die internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit“ vom 29.7.1988, dessen letzte Änderung vom 20.7.2007 (DV Nr. 59/2007) im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der neuen ZPO erfolgte, enthalten. Hiernach bedürfen Schiedsvereinbarungen der Schriftform entweder in einer von den Parteien unterzeichneten Urkunde oder im Wege des Austausches von Briefen, Telexen oder anderen Kommunikationsmitteln (Art. 7). Entsprechende Anträge sind grundsätzlich beim Sofioter Stadtgericht zu stellen.
Bei der Bulgarischen Handels- und Industriekammer besteht ein ständiges Schiedsgericht, das auf der Grundlage seiner Schlichtungsordnung vom 12.5.1999 bzw. seiner Schiedsordnung vom 31.3.1993 i.d.F. ihrer Änderungen vom 29.1.2002 tätig wird. Bulgarien ist Vertragsstaat des New Yorker Übereinkommens vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche schon seit 1962 und des Europäischen Übereinkommens vom 21.4.1961 über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit seit 1964.
Im Bereich der Zwangsvollstreckung hat das Gesetz über die privaten Gerichtsvollzieher (DV Nr. 43/2005 vom 20.5.2005, letzte Änderung: DV 64/2007 vom 7.8.2007) neben den staatlichen Gerichtsvollziehern als zweite Säule die Institution der privaten Gerichtsvollzieher (Bulgarisch: „častnite sadebnite ispalniteli“, Englisch: „private bailiffs“ oder „private enforcement agents“) eingeführt. Damit bezweckte der Gesetzgeber eine Verstärkung der Kapazitäten der Zwangsvollstreckung, um das Verfahren zu beschleunigen und effizienter zu gestalten.
Oben genannte Ausführungen erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und können anwaltliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. Eine Garantie kann nicht übernommen werden, jedwede Haftung für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden ist ausgeschlossen.